13.05.2022

Wie vegan kann ein Wein sein?

Bevor wir diese Frage beantworten, sollten wir klären, was genau „vegan“ eigentlich bedeutet. Es gibt weder in Deutschland noch in der EU eine einheitliche, gesetzliche Regelung. Im Jahr 2016 hat sich die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) der Sache angenommen und eine Empfehlung ausgesprochen*:
„Vegan sind Lebensmittel, die keine Erzeugnisse tierischen Ursprungs sind und bei denen auf allen Produktions- und Verarbeitungsstufen keine Zutaten (einschließlich Zusatzstoffe, Trägerstoffe, Aromen und Enzyme) oder Verarbeitungshilfsstoffe oder Nicht-Lebensmittelzusatzstoffe, die auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck wie Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden, die tierischen Ursprungs sind, in verarbeiteter oder unverarbeiteter Form zugesetzt oder verwendet worden sind.“

Gut. So muss das in Deutschland klingen, wenn man eine Definition festlegt. Bedeutet, Wein sollte pflanzlichen Ursprungs sein und während des Herstellungsprozesses komplett ohne tierische Produkte auskommen. Wein entsteht zunächst im Weinberg. Dort reifen die Trauben an der Rebe, bis sie gelesen werden. Das Ausgangsprodukt bleibt pflanzlich, unabhängig vom Anbau durch die WinzerInnen (konventionell, biologisch oder biodynamisch). Spannend wird es im Weinkeller bei der Weinbereitung: der Gärungsprozess kommt ohne tierische Produkte aus. Die sogenannte Schönung des Weines, bei der der Wein von Trübstoffen befreit wird, ist hingegen oft mit dem Einsatz tierischer Produkte verbunden. Durch Zugabe von Gelatine, Hühnereiweiß oder getrockneten Fisch-Schwimmblasen werden Schwebeteilchen gebunden und sinken zu Boden. Anschließend wird der Wein im klaren Zustand abgezogen und in die Flasche gefüllt.

Da der Zusatz solcher tierischen Produkte unter technische Hilfsmittel fällt, die am Ende des Prozesses wieder entfernt werden, sind sie nicht auszeichnungspflichtig, wenn es auch manche WinzerInnen (siehe Foto) freiwillig tun. Wollen WinzerInnen einen veganen Wein erhalten, müssen sie an dieser Stelle pflanzliche Produkte einsetzen oder komplett auf Schönung verzichten. Letzteres bedeutet einen um mehrere Monate längeren Lagerprozess, der das schwerkraftbedingte Absinken der Trübstoffe abwartet. Für die WinzerInnen bedeuten längere Standzeiten auch höhere Kosten und das Risiko, weniger Wein im Verkauf zu haben, falls der vorherige Jahrgang bereits abverkauft ist. WinzerInnen, die bewusst auf den Einsatz tierischer Produkte verzichten, darauf hinweisen und damit eine bestimmte Zielgruppe ansprechen wollen, verwenden hier das Vegan-Label der European Vegetarian Union (EVO).

Also ist ein solcher Wein dann vegan?

fliegen-auf-weintraube-gottschalkAus zweierlei Gründen kann ein Wein nicht rein vegan sein, wenn man das Ganze etwas weitreichender betrachtet: für die Gärung benötigte Hefen sind Bakterienkulturen, biologisch gesehen aus dem Reich der Pilze nach heutigem Forschungsstand näher mit den Tieren als den Pflanzen verwandt. Und dass bei der Lese des Weins nicht nur Trauben, sondern auch Insekten und andere Kleinsttiere zwangsläufig in der Presse landen, ist wohl unvermeidbar. Selbst bei Betrieben, die von Hand lesen und die Trauben von Hand sortieren.
Gespräche mit den WinzerInnen sind immer das Beste, was ihr machen könnt. So erfahrt ihr deren Philosophie und welche Produkte sie wirklich im Keller verwenden. Die meisten stehen offen zu dem, was sie tun und nicht tun. Der Verzicht auf tierische Produkte bei der Schönung ist meist einer der Punkte, der auch ohne Nachfragen angesprochen wird. Also, sprecht mit ihnen, statt euch allein auf ein Siegel zu verlassen, das sowieso viel zu selten verwendet wird und dadurch natürlich auch Marketinginstrument und Rechtfertigung für höhere Preise wird.

*Quelle:

https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/documents/top20_definition_vegan_und_vegetarisch_1510317864.pdf (abgerufen am 20.07.2019)

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